Kommunikations-panne

Betroffene nicht nur pro forma beteiligen

Der externe Projektbegleiter, ein erfahrener Mann, der langjährige Beziehungen zum Auftraggeber pflegt, schickt dem Projektleiter des Kunden, den er seit Jahren kennt, ein E-Mail mit Feedback zum vorgeschlagenen Programm des Kick-off-Workshops. In diesem E-Mail zieht er ausserdem den Projektleiter ins Vertrauen, dass der Auftraggeber für das Projektergebnis einen engen Rahmen abgesteckt hat und das Projektteam dementsprechend eng geführt werden soll, wobei der vorgegebene Rahmen dem Projektteam nicht bekannt zu geben ist. Voten jenseits des abgesteckten Rahmens seien diskret aus der Lösungsfindung auszublenden. Der Projektleiter versendet die Workshopeinladung an alle Teammitglieder per E-Mail, der Einfachheit halber als Weiterleitung des E-Mails, das er vom externen Projektbegleiter erhalten hat. Versehentlich vergisst er, das Original-E-Mail des externen Projektbegleiters zu löschen. Unverzüglich erhält er von einem Projektteammitglied die erboste Antwort, dass er sich nicht für eine Scheinübung missbrauchen lasse und die Mitarbeit im Projekt verweigere. Im Kick-off-Workshop entschuldigen sich der externe Projektbegleiter und der Projektleiter für die „Kommunikationspanne“. Die Stimmung bleibt eisig.

Die Geschichte der „Kommunikationspanne“ hat sich tatsächlich so zugetragen. Sie soll nicht zur Vorsicht bei der Weiterleitung von E-Mails mahnen. Sie soll davor warnen, Betroffene nur pro forma in die Projektarbeit einzubeziehen. Das Problem ist nicht die Kommunikationspanne. Das Problem ist die Geisteshaltung! Die Verantwortlichen gehen mit einer geheimen Absicht (hidden agenda) in das Projekt. Die Projektteam-Mitglieder werden zur Mitarbeit eingeladen, aber Ihre Meinung ist nur pro forma gefragt. Das Projekt ist tatsächlich gestoppt worden. Und es wäre so oder so gescheitert, insoweit war die Kommunikationspanne ein zeitsparender Zufall. Zu retten wäre das Projekt allenfalls gewesen, wenn die Projektleitung die Karten auf den Tisch gelegt und den Projektteam-Mitgliedern – in persönlichem Rahmen – ehrlichen Einbezug und echte Gestaltungsoptionen versprochen hätte.

Welche Lehren können Sie aus dem Beispiel ziehen? Stecken Sie den Gestaltungsspielraum im Projektauftrag (z.B. in der Beschreibung des Projekts, der Projektziele oder der Rahmenbedingungen oder in den Bemerkungen) ab und teilen Sie ihn den Projektteammitgliedern mit. Bevor Sie den Gestaltungsspielraum definieren können, müssen die Meinungen der verschiedenen Anspruchsgruppen abgeholt und harmonisiert werden. Dies geschieht vor Projektbeginn in der Phase der Projektinitiierung. Wenn in dieser Phase kein Konsens über die Rahmenbedingungen erzielt wird, kommen die Konsequenzen in späteren Phasen des Projekts negativ zum Vorschein. Formulieren Sie Projektziele innerhalb der vorgegebenen Leitlinien lösungsneutral und gehen Sie Ergebnis-offen in das Projekt. Nur so können Sie auf eine engagierte Mitarbeit der Projektteam-Mitglieder hoffen, und nur so werden sie sich mit dem Projektergebnis identifizieren und dessen Umsetzung mittragen.

Literatur:
Forrer, F. & Schöni, M. (2011). Projektmanagement. Mit knappen Ressourcen Projekte sicher steuern. Zürich. Versus Verlag.

Christian Schepers
Projektleiter