Mut zur Lücke

Strategische Fokussierung in NPO

Eine Institution für Menschen mit Behinderung bietet seit Jahren geschützte Arbeitsplätze in der Metall- und Holzbearbeitung. Die Arbeitsplätze und Produktionsanlagen wurden bisher stark auf agogische Anforderungen ausgerichtet. Das Gleiche gilt für die Akquisition von Kundenaufträgen und das Anforderungsprofil der leitenden Mitarbeitenden in den Werkstätten. Der Standortkanton drängt darauf, in Zukunft verstärkt marktwirtschaftliche Grundsätze zu berücksichtigen und die Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu bessern. Der  Stiftungsrat fordert, dass jeder Angebotsbereich kostendeckend sein muss, und verlangt von den zuständigen Führungspersonen entsprechende Massnahmen. Einige Verantwortliche fürchten, dass der soziale Bestimmungszweck der Institution unter die Räder kommt. Die Vorgabe des Kostendeckungsziels halten sie für zu ehrgeizig und erwarten von der Geschäftsführerin, mit dem Kanton härter zu verhandeln.

Die Kantone fordern von den Institutionen für Menschen mit Behinderung mehr Wirtschaftlichkeit. Dies ist eine Folge der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. In den Werkstätten mit geschützten Arbeitsplätzen kommt das Problem hinzu, dass die gewerblichen Kunden, die noch in der Schweiz produzieren, unter verstärktem Kostendruck stehen. Damit erhöht sich auch von dieser Seite der Druck auf Preise und Nachfrage. Das stellt die Institutionen vor grosse Herausforderungen. Je stärker die Produktion auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse der behinderten Menschen ausgerichtet ist, desto schwieriger sind operative Optimierungen realisierbar, denn diese setzen entweder Standardisierung voraus oder den Einsatz von Maschinen. Beides engt den Spielraum ein, den behinderten Menschen individuelle Arbeitsmöglichkeiten bieten zu können. Es bleibt deshalb vielfach keine andere Möglichkeit, als das Portfolio der angebotenen Produkte und Leistungen und die strategische Positionierung grundsätzlich zu überprüfen.

Die Werkstätten der Institutionen für Menschen mit Behinderungen können den Wirtschaftlichkeitsanforderungen der Kantone und dem Druck auf Preise und Nachfragevolumen kaum ausweichen. Sie müssen sich grundlegend mit der strategischen Ausrichtung beschäftigen. In vielen Fällen ist ein Verzicht auf Produkte und Leistungen, die nicht kostendeckend erstellt werden können, geboten. Der Spielraum für Quersubventionierung über die verschiedenen Angebote dürfte in Zukunft nur noch gering sein. Fokussierung ist nicht nur die Voraussetzung für Effizienzverbesserungen, sie ist auch ein Vorteil für den Auftritt im Markt. Aus dem Marketing wissen wir: Menschen glauben, dass ein Gerät, das nur eine Funktion besitzt, die betreffende Aufgabe besser erfüllt, als ein Gerät, das auch noch andere Funktionen hat. Das gilt nicht nur für Geräte sondern auch für Anbieter. Eine solche Fokussierung kann auch Verzicht auf individuell auf die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung ausgerichtete Arbeitsangebote bedeuten. Auch wenn die einzelne Institution durch mehr Spezialisierung das Angebot möglicher Tätigkeiten für Menschen mit Behinderung einschränkt, kann trotzdem mit Blick auf alle Angebote aller Institutionen immer noch ein ansprechendes Spektrum möglicher Tätigkeiten vorhanden sein. Das setzt voraus, dass sich nicht alle Institutionen in demselben Bereich spezialisieren. Hier sind die Kantone gefordert. Über die Bedarfsplanung müssen sie sicherstellen, dass für die Menschen mit Behinderung die nötigen Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Christian Schepers
Projektleiter