Theorie vs. Kundenbedürfnisse

Führungsinstrumente auf Unternehmenskultur abstimmen

Ein KMU ist während der letzten Jahre stetig gewachsen. Der Führungsstil im Unternehmen geht in Richtung autoritär, interne und sensible Informationen werden oft zurückbehalten. Die Geschäftsleitung muss regelmässig an verschiedene Stellen wie beispielsweise den Verwaltungsrat oder auch an den Geldgeber rapportieren. Vor allem der Verwaltungsrat hätte gerne mehr Informationen über den Betrieb und stellt die Forderung, in Zukunft regelmässig mit einem Kennzahlen-Set informiert zu werden. Auch die CFO sieht den Nutzen und spielt schon lange mit der Idee, die diversen verschiedenen Reportings zusammenzuführen und ein einheitliches Management-Cockpit zur gesamtheitlichen operativen und strategischen Führung und Steuerung des Unternehmens zu entwickeln. Die CFO initiiert ein entsprechendes Projekt zur Definition eines Kennzahlen-Set. Die externe Projektleitung leitet in Zusammenarbeit mit dem CFO aus der betriebswirtschaftlichen Literatur, aus bestehenden Reportings und aus internen strategischen und führungsrelevanten Dokumenten systematisch und nachvollziehbar Kennzahlen her. Am Workshop mit der Geschäftsleitung sowie bei folgenden Besprechungen mit dem Verwaltungsratsausschuss und dem Geldgeber werden diverse – systematisch hergeleitete und in der Theorie abgestützte – Kennzahlen gestrichen und dafür neue, aus Sicht der Projektleitung teilweise nicht relevante Kennzahlen ergänzt.

Trotz der systematisch aus der betriebswirtschaftlichen Theorie sowie aus bestehenden strategie- und führungsrelevanten Dokumenten abgeleiteten Kennzahlen haben die Geschäftsleitung, der Verwaltungsrat und die Geldgeber teilweise andere Vorstellungen. Der Verwaltungsrat will umfassend – aber insbesondere zur Strategieumsetzung – informiert werden. Die Geschäftsleitung möchte beispielsweise keine Kennzahlen zu Mitarbeitenden- und Kunden-Zufriedenheit im Cockpit abbilden. Dies mit der Begründung, dass diese Informationen in der Geschäftsleitung „verbleiben“ und nicht durch andere (Externe) eingesehen werden sollen. Der Geldgeber ist hauptsächlich an finanziellen Kennzahlen interessiert. Dies aus der Sicht als Finanzierer des Unternehmens. Aus dem Blickwinkel der betriebswirtschaftlichen Managementlehre wäre aber anzustreben, ein ausgewogenes Set von Kennzahlen zu erarbeiten, welches die strategische und operative Steuerung und Führung des Unternehmens erlaubt. Dazu gehören eben nicht nur finanzielle Kennzahlen, sondern auch Kennzahlen zur Strategieumsetzung oder zur Qualität. Auch müsste der Verwaltungsrat, als strategisches Gremium, regelmässig und umfassend über den Betrieb informiert werden.

Wie in anderen Beiträgen bereits festgehalten, nützt die beste Problemlösung nichts, wenn diese nicht durch die mit dem Problem konfrontierten Personen unterstützt wird. Im konkreten Fall heisst das, dass sich primär diejenigen Personen mit den Kennzahlen identifizieren müssen, die diese in Zukunft erheben, analysieren und mit diesen arbeiten. Auch wenn aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre in einem Management-Cockpit zwingend Kennzahlen zur aktuellen Strategieumsetzung oder zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden oder Kunden vorhanden sein müssten, so möchte die Geschäftsleitung gewisse Informationen nicht preisgeben, der Geldgeber interessiert sich primär für diverse finanzielle Kennzahlen. Diese Haltung ist auch ein Ausdruck der herrschenden Unternehmenskultur. Es wäre in diesem Fall nicht zielführend, wenn die Projektleitung stur auf den idealtypischen Kennzahlen beharren würde. Die Gefahr, dass das Management-Cockpit später in einem Ordner verstaubt, wäre sehr gross.

Nichtsdestotrotz gilt es, die Balance zwischen theoretischem Anspruch und Unternehmenskultur zu finden. Die Basis zur Erarbeitung einer Problemlösung sollte immer ein bewährtes, in der Theorie abgestütztes Modell bzw. ein Lösungsansatz sein. Darauf aufbauend gilt es, die Betroffenen einzubeziehen und ihre Wünsche aufzunehmen. Der bewährte Theorieansatz ist in die Sprache des Kunden zu übersetzen und auf dessen Unternehmenskultur zu adaptieren. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass die Lösung später erfolgreich umgesetzt wird.

Rouven Zürcher
Betriebsökonom FH